Sonntag, 5. März 2006

Von Elefanten im Porzelanladen - die Hybris Schröder

Mein erster Beitrag für diese Seite ist nicht unbedingt aktuell, aber immer noch von Bedeutung, da der unvergessliche Auftritt in der Berliner Runde nach der Wahl im September 2005 das wahre Gesicht unseres Ex-Kanzlers schonungslos offenlegte. Vielleicht hatte er vorher ein bißchen zuviel an russischem Erdgas geschnüffelt - wer weiß das schon so genau? Sicher ist, das sein letzter großer Auftritt - vom peinlichen Zapfenstreich mal abgesehen - auch ein Stück politischer Wahlkampfgeschichte geworden ist. Wer nochmal alles in Ruhe genießen will, der kann sich den Audiomitschnitt unter http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/26/0,1872,2376602,00.html anhören.

Vom 18.09.2005 (ursprünglich ein Leserbrief, den ich aus Wut und Scham schrieb und der gekürzt in der Augsburger Allgemeine, sowie dem Focus erschien):
Es war schon ein etwas groteskes Bild, das den Bürgern unserer Bundesrepublik gestern während der Berliner Runde entgegenstrahlte. Da saßen sich zwei Parteien gegenüber (der Vertreter der „Linkspartie“ und die beiden Reporter ausgenommen): auf der einen Seite vier Politiker demokratischer Parteien, die die Wahlentscheidung der Bürger mit allem gebührenden Respekt und der gebotenen Fairness entgegennahmen und sich trotz hartem, Kräfte zehrenden Wahlkampf bemühten würdevoll und ihrer exponierten Stellung entsprechend zu verhalten, auf der anderen Seite ein Mann, der die Sachlage in übersteigertem Selbstbewusstsein und vollkommener Machttrunkenheit wohl nicht ganz begriffen hatte: der sich zum Sieger ausrief, müde über seine Kontrahenten lächelte, wilde Unterstellungen machte und sich eine geschlagene Stunde benahm wie ein Bauer im Bierzelt. Hätte nicht ausgerechnet eben derselbe Mann die letzten sieben Jahre lang unseren Staat mitgeleitet und verwaltet, hätte uns nicht im Ausland repräsentiert, wäre nicht unser Bundeskanzler gewesen, ich hätte ihn für die Hauptfigur eines griechischen Trauerspiels gehalten, die in all ihrer Selbstherrlichkeit und Selbstüberschätzung die Gesetze und Befehle der Götter ignoriert, was letztendlich zu ihrem Fall und Tod führt. Nur leider war es kein fiktives griechisches Trauerspiel, es war eine reale, deutsche Tragödie, die seit geraumer Zeit andauert und gestern ihren traurigen Höhepunkt fand. Anstatt den Ernst der Lage und sein Scheitern zu erkennen, sitzt Herr Schröder auf seinem Posten wie die Henne auf dem Ei, gewillt jeden Aggressor abzuwehren, der es wagen sollte sich an seinen Schatz zu wagen. Es war eine beschämende, traurige Vorstellung, die er gestern geboten hat, ein Schlag ins Gesicht für jeden Bundesbürger, der gestern pflichtbewusst eine schwere Entscheidung gefällt hat. Dass sein Lager, allen voran der Mephisto der deutschen Politik Müntefering, auch noch Herrn Schröders Entscheidung sich in dieser Misere Neuwahlen zu stellen als „Mut“ bezeichnet, dazu fehlen mir die Worte. Selbst jetzt, nachdem die Bürger rot-grün abgewählt haben, fehlt es Herrn Schröder an der Objektivität sein Scheitern zu erkennen. Doch vor allem die Art und Weise mit der er sich vor seinem eigenen Versagen verschließt ist einer Respektsperson nicht würdig. Zeitweise kam es mir so vor, als hätte sich Herr Schröder den gesamten gestrigen Tag über nur flüssig ernährt. Ich persönlich hoffe nur, dass es das letzte Stück des Schauspielers Schröder war. Denn es braucht schon lange mehr als ein wenig Schauspielkunst um Deutschland, den „sickman of Europe“, wie unser Land in britischen Medien so treffend bezeichnet wird, aus der dunklen Sackgasse zu führen, in der wir alle uns befinden. Hoffen wir nur, dass aus der Hybris Schröder nicht eine Hybris Deutschland wird.

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